Kannibalismus bei Schreiadlern

Kannibalismus bei Schreiadlern

Schreiadler sind in Deutschland vom Aussterben bedroht. Interessanterweise ist an dieser Entwicklung in diesem Fall wohl nicht nur der Mensch und seine Eingriffe in die Lebensräume unserer heimischen Tierwelt schuld: Schreiadler legen von Natur aus nur zwei Eier. Nachdem das erste Küken geschlüpft ist, ist das Todesurteil für das zweitgeborene Küken gefällt. Es wird zu Tode gehackt, aus dem Nest geworfen oder muss verhungern.

Zur Rettung der letzten Schreiadler in Deutschland werden deshalb gegenwärtig Dutzende gerade geschlüpfte Jungtiere in einer Naturschutzstation in Brandenburg künstlich aufgezogen. Sie werden mit Regenwürmern, Insekten und Fröschen aufgepäppelt bis der Trieb des Erstgeborenen seinen Nestkonkurrenten umzubringen erloschen ist.
Dieses als Kainismus (in Anlehnung an die biblische Geschichte von Kain und Abel) beschriebene Phänomen soll wenigstens einem Tier ausreichend Nahrung sichern. Es erklärt aber auch die niedrige Reproduktionsrate bei Schreiadlern.

Ist der Frieden im Nest wieder gesichert, werden die ausgegliederten Geschwistervögel behutsam zurück in das Familiennest gebracht. Man hat sich ganz bewusst gegen eine Aufzucht der verstoßenen Schreiadlerküken durch den Menschen entschieden, um eine Prägung der auch als Pommernadler bekannten Raubvögel auf den Menschen auszuschließen. Diese Art von Familienzusammenführung soll helfen den Bestand des Schreiadlers stabil zu halten bzw. für die Zukunft zu vergrößern.

Zur Zeit sind in Deutschland nur noch 102 Brutpaare bekannt. Fast alle von ihnen brüten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Die Schreiadler oder Pommernadler leben ausschließlich in feuchten Wäldern, überwintern jedoch in Afrika. Um ihren natürlichen Lebensraum wieder herzustellen und den Bestand der Raubvögel zu schützen, werden derzeit mit Unterstützung des Bundesamts für Naturschutz ehemalige Feuchtwälder und angrenzende Wiesen renaturiert.