Immer wieder gibt es von Mai bis Juli Meldungen, dass Spaziergänger und Jogger von Vögeln angegriffen werden. Was steckt dahinter und wie kann ich mich schützen? Die Erklärung ist an sich einleuchtend und einfach: Menschen und Tiere kommen sich in der Natur im Frühling und Sommer vermehrt in die Quere. Was normalerweise als eine ziemlich harmonische und unkomplizierte Nachbarschaft gelebt wird, gerät unter eine besondere Belastung, wenn Jungtiere aufgezogen werden.
Bussarde, Eulen und Waldkäuzchen versuchen Menschen von ihren Jungtieren fern zu halten. Besonders Waldkäuzchen können schon mal unangenehm auf Eindringlinge in ihr Brutrevier reagieren, weil ihr Nachwuchs sehr früh aus den Höhlen klettert und als Ästlinge die umliegenden Bäume und Gesträuche bevölkert. Ästlinge sind noch völlig auf die Versorgung durch ihre Elterntiere angewiesen und werden deshalb furchtlos von den Altvögeln verteidigt.
Ein Grund zu Hysterie sind diese Vorfälle nicht. Die Vögel – egal ob nun Bussarde, Eulen, Möwen, Seeschwalben – sind nicht etwa aggressiver geworden, es wird nur gerne schnell publiziert, wenn es mal zu einem Vorfall zwischen zum Beispiel einem Jogger und einem Vogel gekommen ist. Ein Problem ist eher, dass Menschen immer mehr in Naherholungsgebiete strömen, häufig nicht auf den Wegen bleiben und verlernt haben sich zu Zeiten, in denen die Natur “Kinderstube” ist, angemessen zu verhalten und Abstand zu Nestern, Baumhöhlen und Unterholz zu halten. Auch entdeckte Jungtiere sind absolut tabu und müssen in Ruhe gelassen werden.
Sollte man tatsächlich einmal unvorbereitet und aus Unwissenheit über die Gegend und ihre tierischen Bewohner Ziel eines Verteidigungsmanövers werden, hilft in der Regel schon ein Wegducken und ein sich Entfernen aus diesem Bereich. Ein hochgeschlagener Jacken- oder Mantelkragen schützt außerdem vor Attacken von hinten. Krähen, die nach Vorbild des bekannten Kinoklassikers von A. Hitchcock in Schwärmen über Menschen herfallen, gehören ins Reich der Fantasie. Handaufgezogene Vögel nehmen dagegen ganz gern mal auf dem Kopf Platz und zersausen die Haare.
Häufig werden Krähen für die Übeltäter gehalten. Doch bei den wenigen Fälle, in denen die Rabenvögel tatsächlich “handgreiflich” werden, handele es sich um handaufgezogene Tiere, sagt Fiedler. Sie seien es gewohnt, “ihrem” Menschen auf Arm, Schulter oder Kopf zu fliegen und versuchten das unter Umständen auch bei anderen Menschen, die dann Angst bekommen.
Neben Bussarden und Eulen verteidigten auch manche Möwen oder Seeschwalben ihr Revier, sagt Franz Bairlein vom Institut für Vogelforschung aus Wilhelmshaven. Dass sich Medienberichte über angreifende Vögel häufen, habe damit zu tun, dass immer mehr Leute in Naherholungsgebiete gingen, die mittlerweile auch zunehmend von Greifvögeln besiedelt würden, vermutet Fiedler.
Zudem hätte früher ein Bauer einen solchen Vorfall höchstens in seinem Bekanntenkreis erzählt. “Heute rennt jeder, dem so etwas ‘Ungeheuerliches’ wie der Angriff einer größeren Tierart passiert, zu Medien, Behörden und Jägern”, sagt der Experte. Eine Zunahme der Aggressivität halte er für unwahrscheinlich. “Man trifft sich nur öfter”, sagt er. Bei den Angriffen handele es sich um ein angeborenes Abwehrverhalten, betont auch Bairlein. Daran habe sich nichts geändert. Doch selbst von den Mäusebussarden, den am häufigsten gemeldeten “Angreifern”, gebe es verschwindend geringe Zahlen. “In Deutschland und angrenzenden Ländern gibt es zwischen 180.000 und 300.000 Brutpaare und es werden vielleicht fünf oder zehn ‘Angriffs’-Fälle pro Saison bekannt”, erklärt er.
Doch was tun, wenn ein Raubvogel tatsächlich aufdringlich wird? “Bussarde greifen fast immer von hinten an. Schon eine simple Kappe mit einem auf die Hinterseite gemalten Gesicht soll ausreichen, um diese Anflüge abzuwehren”, sagt Fiedler. Ausprobiert habe er diese Methode jedoch selber noch nicht. Ansonsten bleibe nur: “ducken und weitergehen”. Die unmittelbar verteidigten Brutreviere seien nicht groß. Deshalb könne man nach einem “Angriff” die Stellen meiden.
Wichtig sei auch, kleine “hilflose” Eulen – wie alle anderen Jungvögel – nicht anzufassen. Das fordere sofort den Zorn der Altvögel heraus. Auch auf Annäherungen, etwa für Fotos, an Jungtiere von größeren Vogelarten sollte verzichtet werden. “Übrigens gehen fast alle Anflüge unblutig aus”, beruhigt Fiedler. Meist erfolgten erst ein paar sehr niedrige Überfüge oder Umkreisungen des “Opfers” zur Drohung. Wer dann stur stehen bleibe, bekomme auch mal die Krallen zu spüren.